Pharmakotherapie - Wirksame Medikamente gegen Zwänge
In der Behandlung von Zwängen sind Psychopharmaka meist die Behandlungsmethode der zweiten Wahl. In den deutschsprachigen Leitlinien von 2022 wird die Präferenz der Patienten hoch gewichtet, so dass Psychopharmaka auch als Methode der ersten Wahl in Frage kommen.
Dies trifft insbesondere zu wenn:
- Kognitive Verhaltenstherapie abgelehnt oder aufgrund der Symptomschwere nicht durchführbar ist
- Kognitive Verhaltenstherapie nicht zur Verfügung steht
- Bereitschaft zur kognitiven Verhaltenstherapiedamit erhöht werden kann
- Präferenz der Betroffenen bei einer medikamentösen Behandlung liegt
- Bereits positive Erfahrungen mit einer psychopharmakologischen Behandlung hat und diese erneut wünscht
Selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI)
Antidepressiva mit Serotoninwiederaufnahmehemmung, sogenannte selektive Serotoninwiederaufnahmehemmer (SSRI) sind Therapie der ersten Wahl. In der Schweiz zugelassen zur Behandlung der Zwangsstörung sind die folgenden SSRI: Escitalopram, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin, Citalopram. Alle SSRI sind vergleichbar wirksam. Die Auswahl des SSRI soll anhand des Profils unerwünschter Nebenwirkungen und möglicher Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten erfolgen. Die Angaben beruhen auf den S3-Leitlinien sowie gemäss Angaben der Medikamentenhersteller nach compendium.ch.
Wirkstoff |
Zulassung CH Erwachsene |
Anfangsdosis mg/d |
Standard-Tagesdosis mg/d |
Plasmaspiegelmonitoring bei unzureichendem Ansprechen |
Citalopram |
ja |
20 |
20-40 |
empfohlen |
Escitalopram |
ja |
10 |
10-20 |
empfohlen |
Fluoxetin |
nein |
20 |
20-60 |
empfohlen |
Fluvoxamin |
Ja |
50 |
200-300 |
empfohlen |
Paroxetin |
Ja |
20 |
40-60 |
empfohlen |
Sertralin |
ja |
50 |
150-200 |
|
Alle SSRI sollten für die Dauer von mind. 12 Wochen verabreicht werden. Nach spätestens 6-8 Wochen sollte dabei die maximal zugelassene Dosis erreicht werden. Mit einem Wirkungseintritt ist frühestens nach 4 Wochen zu rechnen.
Kommt es unter der Einnahme von SSRI zu einer ausreichenden Symptomreduktion (mind. 25 %), folgt einer Erhaltungstherapie für 1-2 Jahre, wobei die Medikation weiterhin oder gegebenenfalls reduziert eingenommen wird.
Während dieser Zeit kann jederzeit zusätzlich eine Psychotherapie durchgeführt werden. Das Risiko einer Verschlechterung der Symptomatik nach Absetzen des SSRI kann mit einer Kombinationstherapie, also einer Kombination aus SSRI und Psychotherapie signifikant reduziert werden.
Zu Beginn der Behandlung sollen Patienten auf die Möglichkeit von unerwünschten Wirkungen bei der medikamentösen Behandlung hingewiesen werden. Ein Monitoring entsprechend den Leitlinien ist empfehlenswert.
Nebenwirkungen über welche dringend aufgeklärt werden sollte sind:
- Übelkeit, Diarrhöe
- sexuelle Funktionsstörungen
- Hyponatriämie v. a. bei älteren Patienten (SIADH = vermehrte Produktion oder Wirkung des antidiuretischen Hormons ADH)
- eine erhebliche Zunahme von motorischer Unruhe
- Angst und Agitiertheit
- Suizidgedanken
- Blutungsneigung, insbesondere bei gleichzeitiger Gabe von gerinnungshemmenden Medikamenten einschliesslich nichtsteroidaler Antirheumatika
- Absetzschwierigkeiten nach längerdauernder SSRI
Alternative Medikamente
Etwa ein Drittel der medikamentös behandelten Patienten spricht nicht oder unzureichend auf die Behandlung an. Bleibt die erwünschte Wirkung nach mindestens 12-wöchiger Behandlung aus, kann eine weitere Dosiserhöhung auch über die maximal zugelassene Dosis hinaus erwogen werden. Spricht ein Patient auf zwei verschiedenen SSRI nicht an, können weitere Medikamente z.B. Clomipramin in Betracht gezogen werden. Die Angaben beruhen auf den S3-Leitlinien sowie gemäss Angaben der Medikamentenhersteller nach compendium.ch.
Clomipramin ist vergleichbar wirksam wie SSRI. Auf Grund eines höheren Risikos von Nebenwirkungen, ist es jedoch nicht Mittel der ersten Wahl in der Behandlung von Zwangsstörungen. Andere trizyklische Antidepressiva zeigen keine Wirkung und sollen deswegen auch nicht eingesetzt werden.
Wirkstoff |
Zulassung CH Erwachsene |
Anfangsdosis mg/d |
Standard-Tagesdosis mg/d |
Plasmaspiegelmonitoring bei unzureichendem Ansprechen |
Clomipramin |
ja |
25-50 |
75-250 |
empfohlen (immer) |
Venlaflaxin, als Serotonin- Noradrenalinwiederaufnahmehemmer, sollte nicht als Medikament erster Wahl eingesetzt werden.
Wirkstoff |
Zulassung CH Erwachsene |
Anfangsdosis mg/d |
Standard-Tagesdosis mg/d |
Plasmaspiegelmonitoring bei unzureichendem Ansprechen |
Venlafaxin |
nein |
75 |
225-375 |
empfohlen |
Bleibt die Therapie trotz ausreichender Dauer und Dosis unzureichend, sollte eine Augmentation (zusätzliche Gabe) von Risperidon oder Aripiprazol angeboten werden.
Beide Medikamente gehören zur Klasse der Antipsychotika und sind nicht zur Behandlung der Zwangsstörung zugelassen. Sollte diese Augmentation nicht erfolgreich sein (fehlende Wirkung), sollten die Antipsychotika nach 6 Wochen wieder abgesetzt werden.
Wirkstoff zur Augmentation |
Zulassung CH Erwachsene |
Anfangsdosis mg/d |
Risperidon |
nein |
0.5 |
Aripoprazol |
nein |
5-10 |
Andere Medikamente wie z.B. Mirtazapin, Buspiron oder auch Benzodiazepine sollen nicht zur Behandlung der Zwangsstörung eingesetzt werden.